von Nina Lage-Diestel
Der Black Friday ist für Konsumkritiker*innen wahrlich kein Tag der Freude. Mit Sonderangeboten und Rabatten umwirbt der Handel potenzielle Käufer*innen, hochaufgestapelte Produkte blitzen und blinken und zwinkern einem zu. Das Ziel: Ordentlich Umsatz machen! Die Frage nach der Notwendigkeit einer Anschaffung kann beim Anblick der purzelnden Prozente durchaus in den Hintergrund geraten. Umso besser, dass bereits in den 90ern als Erwiderung der Buy-Nothing-Day entstand. An diesem Tag wird sich bewusst dafür entschieden, nichts zu kaufen. Zusätzlich inspiriert die Circular-Monday-Bewegung online zum Ausleihen, Tauschen & Teilen als auch zu Reparatur oder Upcycling. Also zu allem, was das Herz einer ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft hüpfen lässt.
Also alles gut? Nun ja. Wer profitiert denn auf Unternehmensseite von dem Verkaufsevent? Das kleine Fairtrade-Label, das die Produkte liebevoll in Handarbeit herstellt, wird es sich wohl kaum leisten können, die Preise stark zu senken, um mit der Konzern-Konkurrenz mitzuhalten. Und auch auf Konsument*innen-Seite ist die Welt kein Ponyhof. Dass ich mich persönlich dafür entscheide, mich am Black-Friday-Einkauf nicht zu beteiligen, ist ökologisch betrachtet natürlich gut und sinnvoll. Meine freie Wahlmöglichkeit setzt jedoch eins voraus: Mein Privileg. Ich kann an den Prozentschildern völlig entspannt vorbeigehen, weil ich nicht von ihnen abhängig bin. Eine Frage der individuellen Einstellung oder vielmehr des Systems, aufbauend auf vielschichtigen strukturellen Problemen?
Eine reine Konsumkritik anlässlich des Black Friday ist meiner Meinung nach verkürzt. Insbesondere in Zeiten einer Pandemie. Viele kleine lokale Läden leiden an den Umsatzeinbußen und verdienen Unterstützung statt Boykott. Zusätzlich steigt die soziale Ungleichheit in der Gesellschaft an. Ich werde nicht mit dem Finger auf jemanden zeigen, der Black-Friday-Rabatte nutzt, weil ich es schlichtweg nicht beurteilen kann, ob dieser Kauf einer Geiz-ist-Geil-Mentalität entstammt oder ob ihm eine ernsthafte Notlage zugrunde liegt. Die wirklich interessanten Fragen befinden sich doch erst jenseits einer pauschalen Einteilung in Gut & Böse: Wer sind die Gewinner*innen des Black Friday, wer die Verlierer*innen und warum? Welchen Stellenwert haben Konsum und Besitz und was macht das mit uns? Was brauchen wir als Gesellschaft, um uns nicht (mehr) anhand unseres Besitzes zu bewerten?